Alle Wege führen zum Kompost

Es würde zu weit führen, den Kompost als mein Ein und Alles zu bezeichnen. Aber er ist nahe dran. Wie anders liesse sich sonst erklären, dass ich eine zusammengeschraubte Holzkonstruktion mit Namen anspreche, mich daran erfreue, ihr Leckereien wie Kaffeesatz, überalterten Joghurt oder Reste vom Sauerteigansatz darzubieten, und sie beim Vorbeigehen nicht selten mal tätschle? Kein Wunder, wage ich zu meinen, ist doch ein Komposthaufen nichts Geringeres als das Herz eines jeden Gartens: Ein Hort magischen Geschehens, wo sich organischer Unrat in irdisches Gold verwandelt. Verständlicherweise ist mir darum unbegreiflich, dass nicht alle und jede meine Begeisterung teilen. Und doch geschieht das. Immer wieder.

Dass der tiefergelegte Schattenort wie geschaffen für einen Kompostplatz erster Güte war, fiel mir schon bei der ersten Wohnungsbesichtigung ins Auge. Kein Zweifel, hier wollte ich wohnen. Und keine Frage, die allerersten Spatenstiche galten ihm, dem künftigen Dreh-, Angel- und Ausgangspunkt meines Gärtnerns. Sorgfältig entfernte ich von den Vorgängern lieblos hingeworfenes Grün- und Nichtgut, ebnete den Platz aus, mulchte und bereitete den Standort für den Neuankömmling vor. Die Holzkonstruktion wurde gebaut, aufgestellt, das erste Mal gefüttert und dabei – so wollte es die Tradition – getauft. Was war ich stolz! Noch nie hatte ich einen solch hübschen und clever durchdachten Kompostplatz. Selbstverständlich erwartete ich frenetische Begeisterungsstürme von allen Seiten, allein, sie blieben aus. Über den sinnigen Taufnamen Chanel No 5 mochte man zwar leicht belustigt schmunzeln (ja, mein Kompost duftet. Und ja, er ist tatsächlich der fünfte Komposthaufen meines Lebens), kurz sah man dabei zum Benamsten hin, stellte dann aber die abwegige Frage: «Und wann legst du los mit dem Gärtnern?»

Menschen sind seltsam. Wahrscheinlich haben sie auch deswegen die Heissrotte erfunden. Mit schweissbedeckter Stirn wird da kleingehäckselt, auf- und umgeschichtet, abgedeckt und zugegossen, um den von Natur aus bedächtigen Komposthaufen so sehr einzuheizen, dass alles Unerwünschte abgetötet wird … und dabei auch ganz viel Gutes. Nicht im Traum käme es mir in den Sinn, Komposthaufen dergestalt zu hetzen; die wissen, was sie tun, und sie tun das ganz von selber – auf ihre eigene entschleunigende Weise. Nirgends ist die Zeit so aufgehoben wie in und um einen kompostgerecht gehaltenen Haufen, in dem alles zugleich wird, ist und war. Auch wenn ich nur kurz den Kompostkübel leeren will und dann ganz schnell zurück zur Pfanne auf dem Herd … hier halte ich unweigerlich inne. Und wenn der Anlass bloss die Spitze einer Avocado-Pflanze ist, die mich neugierig aus Garten- und Küchenabfall heraus anschaut. Inne halte ich zuverlässig immer.

«Eigentlich ist das der perfekte Sitzplatz», dachte ich, als ich mich an einem heissen Tag ermattet neben Chanel setzte, meinen Rücken an den 60-jährigen Stamm des dort befindlichen Walnussbaums schmiegte und nichts anderes tat, als die überraschend nette Aussicht zu geniessen. Der Mensch neigt dazu, Schönes teilen zu wollen. Noch am selben Tag nötigte ich meinen Wingman dazu, sich mit mir auf den «unglaublich tollsten Sitzplatz ever» zu sitzplatzsetzen. Die zwar druckreife, aber enttäuschende Antwort lautete: «Meine Vorstellung eines lauschigen Sitzplatzes deckt sich nicht mit der unmittelbaren Nähe eines Komposthaufens.» Ich sag’s ja. Menschen.

Mit unverblümt-schelmischem Vergnügen berichte ich in der Zeitschrift Pflanzenfreund regelmäßig über das, was gemeinhin verschämt unter den sattgrünen Rollrasen gekehrt wird: Misserfolge, Missgeschicke und Misstritte – mit Vorliebe die eigenen. Und nun auch hier.

Zum Beitragsbild: Zu dieser Kolumne gehört auch ein Autorenporträt, das in typischer “Pflanzenfreund”-Manier für jeden Beitrag neu geknipst wird. In und von meinem Umfeld.

4 Kommentare

  1. Hoi Liebe. Eben habe ich deinen Kompostbeitrag gekostet und bin dankbar dafür, dass ich schon so lange deiner von Umsetzen-Zwängen befreienden Haltung folgen darf. Dies hatte auch zur Folge, dass mein Herzbube nach 50 Jahren mir die Gartenliebe nicht total gekündigt hat. Der Kompost ist sein Territorium geblieben und ja, damit sind Gedeih und Ertrag ja nach wie vor von seinem Beitrag abhängig. Männer mögen das. Herzgruss Antonia

    1. Liebe Antonia, du Naturliebhaberschwester im Geiste, danke dir für deine Worte.
      Was du von Männern und deren Vorlieben schreibst, ist höchstinteressant, wenn nicht mindestens einen Grünton wert.
      Nach dem bewährten Nick’schen Komposttest war und ist der deine jedenfalls die perfekte Wahl!
      Grüss ihn lieb von mir!

  2. Guten Tag Nicole

    Wow, echt stillvoll angezogen für den feierlichen Anlass.
    Kompostrahmen fachlich grossartig verschraubt, im Winkelmass und im Lot.
    Dazu gut befüllt. Hut ab.

    Zwischendurch setzte ich auch etwas Kompost an. 🙂
    https://tinyurl.com/mrrb23ax

    Herzliche Grüsse
    aus dem Berner Mittelland
    Natternkopf

    1. Es kommt selten bis nie vor, dass ich beim besten Willen nicht weiss, was ich entgegnen soll.
      In diesem Sinne grüssen achselzuckend, aber sehr freundlich
      Chanel, Nick und die Muse auf der Schulter.

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